08. Mai 2017

Das Comeback der Kommunen - Sozialer Wohnungsbau in Städten und Gemeinden wieder auf dem Vormarsch

Für einen immer größer werdenden Teil der Gesellschaft bis weit in die Mittelschicht hinein wird der Mietwohnungsmarkt immer enger. Insbesondere in Großstädten und Ballungszentren wächst seit Jahren der Mangel an bezahlbaren Mietwohnungen. Die Privatisierung von Wohnungen in öffentlicher Hand und der Zwang zum Sparen haben dazu geführt, dass die Anzahl der Wohnungen mit Sozialbindung über die letzten Jahre stark zurückging. Die BÜRO DR. VOGEL GMBH wurde von der Stadt Dreieich damit beautragt, alle Entscheidungsgrundlagen zu schaffen und sie darin zu unterstützen, eine Wohnungsbaugesellschaft zu gründen, die sozialen Wohnungsbau in Eigenregie durchführt. Unsere Analysen und grundlegenden Arbeiten in diesem Zuge zeigen einen Ausweg für Städte und Gemeinden auf: Selbst bauen mit Hilfe einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft.

 

Rückzug des Staates aus dem sozialen Wohnungsbau

Die Entwicklung des Mietwohnungsmarkts betrifft insbesondere Haushalte mit unteren bis mittleren Einkommen. Das hat mehrere Gründe: In diesen Einkommensgruppen stiegen die Löhne und die Gehälter in den letzten Jahrzehnten in weit geringerem Umfang als die Mieten an den meisten Orten. Während der durchschnittliche Reallohnzuwachs im Zeitraum zwischen 2000 und 2016 insgesamt nur 5,7 Prozent betrug, lagen in den meisten Städten Deutschlands die Steigerungen der Mieten deutlich darüber. Die Nachfrage nach Wohnraum, getrieben von einem verstärkten Zuzug in die Städte, wuchs schneller als das Angebot. Darüber hinaus verteuerte sich das Bauen erheblich. So stiegen die Baupreise für Wohngebäude im selben Zeitraum um fast 33 Prozent.

Gleichzeitig setzt der Rückgang von sozial gebundenen Wohnungen diese Nachfrager unter Druck. Seit einigen Jahren fallen weit mehr sozialgebundene Wohnungen aus der Sozialbindung als neue Wohnungen gebaut werden. So sank deren Zahl allein zwischen 2010 und 2016 von mehr als 1,6 Millionen auf weniger als 1,3 Millionen. Dies lässt sich auch auf die deutlich reduzierten staatlichen Aktivitäten beim sozialen Wohnungsbau zurückführen.

Die Privatwirtschaft füllt die vom Staat beim Bau von Sozialwohnungen hinterlassene Lücke nicht aus. Der entscheidende Grund hierfür liegt in den geringeren Renditen für Sozialwohnungen im Vergleich zu höherwertigerem Wohnungsbau – seien es frei finanzierte Miet- oder Eigentumswohnungen. Meist lassen sich die Investitionen in Grundstück und Bau durch die die niedrigeren Sozialmieten nicht decken. Erschwerend kommen aus Investorensicht das Vorurteil der schwierigeren Mietklientel, die lange Sozialbindung und ein höherer bürokratischer Aufwand hinzu. Für den freien Markt existieren folglich kaum Anreize, Wohnungen für diese Nachfrager zu bauen.

Für Städte und Kommunen sieht die Rechnung jedoch anders aus als für den Privatsektor. Staatlich organisierter sozialer Wohnungsbau kann im aktuellen Marktumfeld eine nicht nur sozial- und wohnungspolitisch sondern auch wirtschaftlich und haushälterisch äußerst sinnvolle Investition sein.

 

Wirtschaftlich und sozial sinnvolle Investition

Die von der BÜRO DR. VOGEL GMBH konzipierte Gründung sowie die Aufgabendefinition der Entwicklung von Projekten im sozialen Wohnungsbau beziehen sich zwar explizit auf die konkrete Situation in Dreieich. Viele deutsche Städte befinden sich jedoch in einer vergleichbaren Situation und verfügen über ähnliche Voraussetzungen. Im Verbund mit den derzeit historisch niedrigen Zinsen können auch andere Städte den sozialen Wohnungsbau selbst in die Hand nehmen. Mit geringen Eigenmitteln, unter Nutzung von existierenden Förderprogrammen sowie einer städtischen oder kommunalen Wohnungsbaugesellschaft als Bauherrin können Sozialwohnungen gebaut werden. Diese können sich mittelfristig selbst tragen oder erbringen bei sorgsamer und professioneller Bewirtschaftung sogar Überschüsse, die dem Investitionshaushalt wieder zugeführt werden. Darüber hinaus bietet sich auf diesem Weg für Städte und Gemeinden die Möglichkeit, ein strategisches und langfristiges Vermögensgut aufzubauen, mit dem auch stadtplanerische und aus der Perspektive des Quartiersmanagements kommunale Belange gesteuert werden können. Für Stadt, Gemeinde sowie für die eigene Bevölkerung entsteht dadurch ein dauerhaft großer Nutzen. Zu beachten ist dabei, dass die Projekte in ihrem Umfeld so konzipiert werden, dass eine gesunde soziale Mischung der Bewohner entsteht.

Wenn Städte und Gemeinden den sozialen Wohnungsbau richtig betreiben, bestehen derzeit nur geringe Risiken bei der Umsetzung und dem Betrieb von Wohnungsprojekten. Durch die niedrig kalkulierten Sozialmieten ist ein dauerhaft geringer Leerstand und somit ein konstanter Cash Flow durch die Mieteinnahmen zu erwarten. Zudem ist die derzeitige Marktlage nahezu optimal: Aufgrund ihrer hervorragenden Bonität erhält die öffentliche Hand noch günstigere Zinskonditionen als private Investoren. Außerdem stehen Unternehmen in öffentlicher Hand nicht unter dem Druck, hohe Gewinne erzielen zu müssen. Privatinvestoren hingegen benötigen aufgrund ihrer höheren Risiken in der Regel vergleichsweise hohe Eigenkapitalrenditen. Hinzu kommt, dass Unternehmen in öffentlicher Hand – sofern die Bonität der jeweiligen Stadt oder Kommune herangezogen werden kann – für die Finanzierung deutlich weniger Eigenkapital einsetzen müssen. Unter diesen günstigen Voraussetzungen kann auch der Neubau von Sozialwohnungen schon wenige Jahre nach der Errichtung nachhaltige Überschüsse erzielen. In dem untersuchten Beispiel Dreieichs kann dies für ein Einzelprojekt – je nach Szenario – sogar schon nach drei bis vier Jahren der Fall sein. 

Städte und Kommunen befinden sich damit in einer Lage, die wirtschaftliche und soziale Chancen birgt. Sie haben die Möglichkeit dem Versagen des Marktes bei der Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum, das einen großen Teil der Bevölkerung betrifft, ausgleichend entgegenzutreten. Gleichzeitig können sie auf diesem Weg ihrer Verantwortung zum sorgsamen Umgang mit Steuergeldern nachkommen. „Eigene Investitionen in dringend benötigte Sozialwohnungen, die eine Schwarze Null oder ein kleines Plus erbringen, können damit eine der wichtigen Elemente zur Beantwortung der akuten Wohnraumfrage sein“, so Hauke Fischbeck, Geschäftsführer der BÜRO DR. VOGEL GMBH. „Und das, ohne die öffentlichen Haushalte langfristig zu belasten.“

Ob oder in welchem Maße eine Wohnungsbaugesellschaft Gewinne erwirtschaftet, ist allerdings eine durchaus heikle politische Frage: Denn eine gewinnorientierte Ausrichtung im sensiblen Bereich des sozialen Wohnungsbaus zieht schnell den Vorwurf nach sich, Gewinne auf Kosten der unteren Mittelschicht und der Geringverdiener zu erzielen. Auf der anderen Seite gehen dauerhafte Verluste oder Bezuschussungen auf Kosten der kommunalen Haushalte. Diese trägt letztendlich der Steuerzahler. Dies ist berechtigterweise nicht populär und folglich ebenfalls zu vermeiden. Angesichts der sozial-, wohnungs- und gesellschaftspolitischen Vorteile bietet es sich daher an, einen im Vergleich zur Privatwirtschaft geringeren Gewinn anzustreben. Dieser kann dann in den sozialen Wohnungsbau oder andere soziale Projekte reinvestiert werden. Bei dieser Diskussion steht die Politik in der Pflicht, den Bürgern die Zusammenhänge transparent zu kommunizieren, um eine größtmögliche Akzeptanz zu erreichen.

 

Wiederbelebung des sozialen Wohnungsbaus in Eigenregie lohnt

Nach den jahrzehntelangen Privatisierungen und Kürzungen hinterfragen viele Bürger verständlicherweise die Wiederbelebung des sozialen Wohnungsbaus in Regie öffentlicher Träger. Sie ist jedoch unter den heutigen Rahmenbedingungen ökonomisch sinnvoll. Trotz dieser guten Voraussetzungen setzt es aber dennoch einigen politischen Willen und Mut voraus, diesen Weg zu beschreiten. Die Rahmenbedingungen für den sozialen Wohnungsbau aus staatlicher Hand waren selten so gut wie jetzt. „In den sozialen Wohnungsbau zu investieren ist nach unserer Einschätzung aus sozial-, stadtentwicklungs- und wohnungspolitischer Sicht empfehlenswertes und haushaltspolitisch verantwortungsbewusstes Handeln. Für viele Städte und Kommunen ist dies unter den aktuellen Vorzeichen sowohl der sozial richtige als auch ökonomisch sinnvolle Weg“, so Dr. Markus Vogel, Geschäftsführer der BÜRO DR. VOGEL GMBH.

Sofern allerdings auf staatlicher Seite kein Sinneswandel eintritt, steht eine weitere Zuspitzung bevor. Als Folge der Föderalismusreform stellt der Bund ab 2020 seine jährlichen Überweisungen an die Länder für die soziale Wohnraumförderung von derzeit rund 1,5 Milliarden Euro komplett ein. Um eine weitere Verschärfung der Situation für Mittelschicht und Geringverdiener zu vermeiden, hält die BÜRO DR. VOGEL GMBH daher ein entschlossenes Handeln der öffentlichen Hand für notwendig und geboten. Der Wiedereinstieg in den sozialen Wohnungsbau kann hier ein wichtiger Baustein als Beitrag zur Lösung sein. Mit kommunalen Wohnungsbaugesellschaften verfügen viele Städte und Kommunen bereits über das geeignete strategische Instrument, um sozialen Wohnungsbau selbst aktiv zu betreiben und hiermit auch die Zukunft ihrer Kommunen zu sichern.